Dienstag, 27. März 2012

Wie man seine Familie (und sich selbst) verblüfft

Man nehme: einen Geburtstag und eine Familie, die einem Gutes beschehren möchte – in Form einer Beigabe zu einem Drahtesel.

Weiterhin nehme man den Anspruch, sich ein paar Gedanken zu jenem zu erstehenden Drahtesel machen zu wollen – gemäß einem sehr allgemeinen Anspruch, selbst einem geschenkten Gaul ins Maul zu schauen. Schließlich ist der Beschenkte anschließend Nutzer jenes „Gauls“, in diesem Fall eben des Drahtesels.

Zusätzlich funktioniert das Ganze am besten in einer Familie, die es ziemlich überflüssig findet, dass diese verflixten geschenkten Gäule auch noch relativen Ansprüchen – nämlich jenen der Beschenkten – genügen sollen. Das führt zu einer gewissen Lästerhaftigkeit jener schenkenden Familienmitglieder gegenüber dem beschenkten Familienmitglied. Da beschenktes Familienmitglied das aber zu ignorieren gedenkt, forscht es also nach persönlichen Möchte-gerns. Und findet Auswahlkriterien, die dem Geschenk die wesentliche Würze der Freude über den Erhalt des Selbigen verleihen würden. Kurzfristig und hoffentlich auch langfristig.

Man nehme an, diese Auswahlkriterien seien eingestuft nach: DAS macht vieles wett; jenes wäre schön; dieses ist, was im Kopf ist, die Realität kommt ggf. ohne aus. DAS ist ein Lenker gewisser Form (gebogen, sportlich), jenes wäre ein Kettenschaltung mit mehr als drei Gängen, dieses … ist ein Herrenrad (Rahmen mit Querstange. Es ist einfach cooler, das Bein über den Sattel zu schwingen) unter dem (relativ unsportlichen) Damenhintern. Ach – und eher breitere Reifen. Das Draht-Hottehü muss in der Stadt verwendbar sein. Ich sage nur: Kopfsteinpflaster.

Mutter und Bruder haben bereits gelästert. Beschenkte Tochter/Schwester in spe ist nicht sonderlich zuversichtlich für den ersten Gang in die Fahrradläden, sondern eher neutral gestimmt auf eine Sondierung des Terrains.Überdies ist das Budget deutlich begrenzt. Bruder lästert sowieso, präziser hält er es für ziemlich absolut unwahrscheinlich, so einen komischen Lenker zu finden, der ihm in der Form unvertraut ist und überhaupt - nicht bei der Verwandtschaft!

Schwester – die ziemlich lange nicht Fahrrad gefahren ist, welches nicht fest an Ort und Stelle montiert, sondern, der Himmel bewahre, beweglich(!) ist – soll zu allem Überfluss bereits den Weg zum neuen Gefährt(en) auf zwei Rädern bewältigen. ARGH! Das ist wackelig!!!! Alle bei Seite!!!!!!!!! (Der erste Pfosten kam schon gefährlich nahe).

Vier Shops – keine Gebrauchträder.

Fünfter Bike-Verkäufer – mit tatsächlich einigem im Angebot. Und gleich vorne an: Lenker, der grob an eine 8 erinnert (auch Multifunktionslenker genannt). Breite Sohlen. Kettenschaltung (weiß noch nicht genau, wieviel Gang – 24?). Federung. Herrenquerstange (Brüderchen plädiert noch für den „tiefen Einstieg“…).

„Ich fahre das Teil dann mal Probe, ist das in Ordnung?“ „Können Sie gern machen – aber es ist reserviert bis morgen.“ Reserviert??? Neeeeee, das ist jetzt nicht ..! Ist es nicht, oder? Trotzdem Probefahren und ankündigen, man würde es sofort kaufen, wenn es soweit ok ist. Natürlich ist es. Da man, also die Beschenkte in Spe, also ich (räusper), aus Jugendtagen noch die Erinnerung an ein Rennrad in sich trägt – vielleicht sogar im Körpergedächtnis – fährt es sich weit sicherer, stabiler als das andere Modell für den Weg. Das wär’s! Das will ich haben!

Die Ankündigung hat gewirkt. Wer zuerst kommt, malt (mahlt?) zuerst. MEINS!
Und ach - es blieb sogar mit Schloss unter dem Preislimit.

Man nehme also ein angedachtes Geburtstagsgeschenk, lästernde Verwandtschaft, grundsätzlich klare Wünsche, finanzielle Rahmenbedingungen und eine relative Offenheit für das, was da kommen möge – und alle sind verblüfft! Nach einkommafünf Stunden habe ich das Fahrrad meiner aktuellen Träume J

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