Samstag, 3. März 2012

Inkonsequent und fehlerbehaftet...

Eine versteckte Welt - das ist Hyddenworld. Versteckt in den Nebeln und Schatten der Welt, so nah an der Menschenwelt, dass die Hydden deren Welt durchaus teilen - nur die Menschen wissen wieder einmal nichts von diesen Anderen.

Liebenswert:
Die Hydden sind charmant, witzig und liebenswert dargestellt. In ihren Charakteren ebenso wie in ihren Bräuchen. Vor allem Bedwyn Stort, anfangs ein sehr junger Geselle, sticht heraus in seiner kuriosen Art und Andersartigkeit unter den Andersartigen. Er ist ein Wissenschaftler durch und durch und zusätzlich gesegnet mit einem hervorragenden Gespür für das Kommende, somit durchaus auch für Gefahren. Und natürlich kommen Gefahren in dieser Geschichte. Denn es gilt, den Riesengeborenen (Jack) zu schützen, bis er alt genug ist, seine Aufgabe zu erfüllen und ihm anschließend zu helfen, dabei auch erfolgreich zu sein.
In der Menschenwelt ist Arthur Foale der erste Kontaktpunkt. Er ist ebenfalls Wissenschaftler und einer der wenigen Menschen, die von den Hydden wissen. Auch er zeigt sich als ein liebenswerter Sonderling. Der Einstieg in den Roman besticht also vor allem durch eben diese besonderen Figuren.

Übergeordnete Struktur:
Später werden die Welten sich verbinden. Mehr oder weniger. Einige der Figuren werden die feine Grenze überqueren, und es wird die Gemeinschaft von Menschen und Hydden sein, die von Bedeutung ist für das Große, was da kommt.
Rein weltlich betrachtet spielt Hyddenworld hauptsächlich in England. Es gibt aber auch Berührungspunkte nach Deutschland, und im historischen Hintergrund spielt ebenso Russland eine Rolle. Aristokratie und Machtstrukturen erinnern an den zweiten Weltkrieg.

Natürlich gibt es diese Machtstrukturen in der Geschichte. Natürlich gibt es dunkle und böse Gestalten, denen an nichts anderem als eben Macht gelegen ist. Und die Brutalität und Detailliertheit, die in diesen Erzählmomenten vorkommt, stehen in extremen Gegensatz zu der Feinheit und Liebenswürdigkeit der Erzählung über die Hydden.

Kritik:
Überhaupt: die Detailversessenheit des Autors an mancherlei Stelle tut der Geschichte keinen Gefallen. So sind gelegentliche Erläuterungen über die Hintergründe von Situationen und Personen ellenlang und mehr als einmal vollkommen unbedeutend für den weiteren Erzählverlauf - oder welchen Sinn hat es, über die genauen ehelichen und außerehelichen Hintergründe einer Randfigur informiert zu sein, die dann in einem kurzen Streich dahingemeuchelt wird?

Andererseits ist es dann gerade die an und für sich tragende Geschichte um Jack und Katherine, die in ihrer Banalität und Flachheit enttäuscht! Genau - Jack, der Riesengeborene, und Katherine, ein junges Menschenmädchen, deren Schicksale in frühester Kindheit auf tragische Weise miteinander verbunden werden. Der Leser erlebt ihre pubertierende Unsicherheit auf derart klischeeartige Weise, dass es weh tut und ihre gemeinsame Entwicklung kann leider nicht überzeugen.

Auch Jack's besondere Fähigkeiten (Schnelligkeit, Kraft), die mit seiner Herkunft zusammenhängen, machen zwar Sinn, wenn man sich diese ins Gedächtnis zurückruft - aber der erzählten Darstellung dieser Momente fehlt die Überszeugungskraft stringenter Logik. Statt im Leser das Gefühl wachzurufen: 'natürlich, es kann gar nicht anders sein, als dass Jack diese blitzartige körperliche Reaktionsfähigkeit zeigt, wie er es tut', stellt sich die Frage, wo er das hernimmt. Abgesehen davon, dass ihm diese Fähigkeiten zugeschrieben werden ... fehlt ihnen eine überzeugende Geschichte. Wenn er doch wenigstens in einen Zaubertrank gefallen wäre wie Obelix...!

Ein deutlicher erzählerischer Schwachpunkt sind Doppelungen einzelner Informationen, die sich nicht aufeinander beziehen. So erzählt der Autor bzw. Katherine an einer Stelle von dem großen Garten um das Haus, indem Jack und sie sich gerade befinden. Zwei Seiten später wird beschrieben, dass der Garten des Hauses sehr groß ist. Nicht: 'tatsächlich'. Nicht: 'er musste ihr Recht geben, der Garten war wirklich sehr groß'. Nicht: 'Er suchte sie lange in diesem großen Garten'. Nein. Einfach nur zweimal in kurzem Abstand die Ortsbeschreibung des großen Gartens um das Haus herum. Derartiges geschieht mehr als einmal, sogar auf einer einzelnen Seite kommt es vor. In diesen Momenten stellt sich mir die Frage: hat der Autor nicht mehr im Kopf, was er geschrieben hat? Hat er seine Arbeit nicht überprüft?

Meine Reaktion:
Auf den letzten 100 Seiten bin ich dann dazu übergegangen, ganze Kapitel nur noch pro Absatz darauf zu scannen, ob hier wesentliche Handlungen oder Hintergründe zu erwarten stehen. Die Erzählung quält geradezu mit ausschweifenden, in ihrer Bedeutsamkeit nicht nachvollziehbaren Erläuterungen. Vielleicht machen diese Sinn, wenn man das Buch als den Beginn eines Mehrteilers liest. Als Einzelwerk gibt es ihm den Todesstoß. Und als wäre das nicht bereits genug, zeigt sich der Showdown dieses Bandes in einer extrem flach erzählten, extrem unglaubwürdigen und billigen Lösung für das große Rätsel von "Der Frühling". Als ich den letzten Satz gelesen hatte, dachte ich nur noch: "Geschafft!"

Fazit:
So sehr ich mich in Bedwyn Stort verliebt habe und Teile der Geschichte mich schmunzeln und genießen ließen ... die Kritikpunkte wiegen für mich so schwer, dass ich Hyddenworld insgesamt als eine enorm große Enttäuschung empfinde!

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