Montag, 12. März 2012

Riikka Pulkkinen: Wahr

Die letzte Rezension, die ich verfasst habe, behandelt Wahr von Riikka Pulkkinen. Im ersten Moment, als ich die Leseprobe durch hatte, dachte ich, es ginge in dieser Geschichte um Trauer. Aber schon kurze Zeit später, mit dem Roman in der Hand, stellte sich heraus, dass das nur die halbe Wahrheit ist. Neben der Geschichte um Elsas Familie, die sich mit ihrem bevorstehenden Tod auseinandersetzen muss, wird nämlich auch noch die Geschichte von Eeva erzählt - und, weniger auffällig, die von Anna.

Inhaltliches:
Ob die Geschichte von Eeva so wahr ist, wie sie erzählt wird, ist nicht klar. Sie könnte auch eine Mischung aus der Wahrheit und dem Erfindungsgeist Annas sein. Denn tatsächlich kann Eeva ihre Geschichte nicht mit eigenen Worten erzählen. Sie ist längst tot. Für Anna hingegen bietet Eeva die perfekte Projektionsfläche für ihre eigenen, früheren Erlebnisse und ihren eigenen Schmerz, der sie tagelang auf den Dielen ihrer Wohnung liegen ließ.
Anna ist Elsas Enkeltochter. Während Elsa sich noch um einen Rest Normalität bemüht, fischt Anna für ein altes Spiel unbeabsichtigt Eevas Kleid aus Elsas Kleiderschrank. Nun weiht die Großmutter die Enkeltochter in das Geheimnis ein, an dass sich Eleonoora, Tochter von Elsa und Mutter von Anna, nicht mehr erinnert: die Beziehung zwischen Eeva, dem Kindermädchen, das die Mutterrolle übernahm, wenn die Mutter selbst auf Reisen war, und Vater Martti, einem bekannten finnischen Künstler.
Die Erzählweise:
Wahr ist eine intensive Geschichte, die Eindringlichkeit der Erzählung immens. Nach den ersten Kapiteln fragte ich mich, ob ich es aushalten würde, ein ganzes Buch, das so nahegeht, zu lesen. Es wurde dann aber etwas leichter. Die Intensität jedoch bleibt. Auf Seiten der Familienmitglieder schlicht durch den nahenden Tod Elsas, der immer wieder in den Sätzen durchscheint, teilweise klar in den Gedanken, den Dialogen, den Situationen verankert, teilweise mehr aus Satzfragmenten und zwischen den Zeilen erkennbar. Dabei drückt die Erzählung nicht auf die Tränendrüse. Den eindringlichsten Charakter erhält allerdings Eevas Erzählung, aus der Ich-Perspektive geschildert und mit gelegentlichen, leisen Vorgriffen auf zukünftige Momente. Ein wenig verwirrten mich beim Lesen die identischen Beschreibungen mancher Gefühlszustände, wie des einen, der „aus ihr heraus und in die Dielen“ sickerte – sowohl in der Erzählung von Eeva als auch in Annas Passagen. Doch dies ist ein Grund mehr, den projektiven Charakter von Eevas Geschichte zu vermuten.
Zu wenig deutlich wird der Einfluss der Vergangenheit bzw. der Einfluss der aufgefrischten Erinnerungen auf die gegenwärtigen Beziehungen, sowohl zwischen Martti und Elsa als auch zwischen Eleonoora und Elsa. Lediglich die Verbindung zwischen Annas und Eevas Geschichte wird klar genug herausgearbeitet, um die Bedeutung der Erzählung der einen Geschichte für die andere zu verstehen.
Fazit:
Es ist kein Buch, von dem ich sagen kann: „Es hat mir gefallen." Gut ist es trotzdem. Auch trotz der Kritik. Leider weiß ich jedoch nicht recht, wem ich es empfehlen soll – garantiert nichts ist es allerdings für jene, die es leicht und flockig bevorzugen. Dieses Buch ist insgesamt eher tiefgründig und präzise.
Und das Cover? Das ist pink-violett.

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